Hungertuch “Du stellst meine Füße auf weiten Raum”

Das neue MISEREOR-Hungertuch hängt in der St.-Martinus-Kirche

Alle zwei Jahre lässt das Hilfswerk MISEREOR ein neues Hungertuch gestalten. Die in Chile geborene Künstlerin Lilian Moreno Sánchez hat das aktuelle Tuch mit dem Titel „Du stellst meine Füße auf weiten Raum – Die Kraft des Wandels“ entwickelt und realisiert.

Schwarze Linien zeichnen das Röntgenbild eines Fußes, der mehrfach gebrochen ist. Der Fuß gehört zu einem Menschen, der bei einer Demonstration in Santiago de Chile durch die Polizei schwer verwundet worden ist. Seit Oktober 2019 protestieren dort viele Menschen gegen ungerechte Verhältnisse. Tausende Demonstranten wurden durch die Staatsgewalt brutal geschlagen und verhaftet. Das Motiv des verwundeten Fußes steht stellvertretend für alle Orte, an denen Menschen gebrochen werden. Hände oder Füße zu verletzen heißt, Menschen handlungsunfähig zu machen und so ihrer Würde zu berauben.

Für das Hungertuch wurden ungewöhnliche Materialien verwendet. Es ist auf Bettwäsche aus einem Krankenhaus gemalt. In den Straßen Chiles hat die Künstlerin Staub eingesammelt und in die Laken gerieben. Der Stoff ist nicht glatt und makellos, graue Flecken und Falten überziehen ihn. Er ist vielfach übereinander gelegt, auseinander klaffend wie verletzte Haut und mit goldenem Zickzack wieder zusammengenäht, um Heilung zu ermöglichen.

Die Linien aus Kohle sowie Flecken von Staub und Leinöl stehen gegen Goldfäden und Blumen aus Blattgold. Die Gegensätze sollen zeigen: Leben ist ein Prozess, der weitergeht – auch mit verwundeten und gehemmten Füßen vertrauen wir auf die Kraft der Solidarität.

„Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ – dieser Vers aus Psalm 31 steht als Titel über dem Hungertuch. Er beschreibt, was im Glauben alles möglich ist. Das Bild des Fußes lässt uns an Aufbruch, Bewegung und Wandel denken; das Bild des „weiten Raumes“ lässt uns aufatmen, wenn die Füße schwach werden. Der Psalm ist vor rund 2.500 Jahren entstanden, wohl in der Zeit des babylonischen Exils; in ihm werden Erfahrungen von Krankheit, Einsamkeit, Unterdrückung und Verzweiflung verarbeitet. Immer haben die Menschen Zuflucht bei Gott gesucht und gefunden. Aus der Enge der Angst blickten sie hinaus ins Weite und schöpften Kraft für einen Neubeginn – so wie die Betroffenen der Corona-Krise weltweit den Aufbruch wagen und ihr Leben wieder neu aufbauen.

Das Hungertuch ist noch bis zum Gründonnerstag in St. Martinus in voller Größe zu bewundern.
In Heilig Geist und Maximilian Kolbe hängen kleine Drucke des Hungertuchs.
Nutzen Sie die Zeit, lassen Sie sich vom Hungertuch in neue, weite Räume führen und finden Sie Ihren Stand-Punkt.